Der Neuanfang im Westerwald
Rettung, Bankrott und Hauptgewinn
Vor den Gläubigern flüchtete Klaus-Peter Wolf in den Westerwald. Dort blieb er 20 Jahre. Er heiratete und bekam zwei Töchter, Mona und Maxi. Auch in seiner neuen Umgebung wendete er sich wieder den Ausgestoßenen zu, wahrscheinlich fühlte er sich bei ihnen geborgen. Diesmal waren es türkische und kurdische Asylanten. Er gründete eine Initiativgruppe zur Unterstützung dieser Asylsuchenden.
Als trotz aller Bemühungen immer mehr seiner Freunde ausgewiesen wurden und in ihrer Heimat ums Leben kamen, schrieb er voller Wut und Verzweiflung den Roman Die Abschiebung. Die gleichnamige Verfilmung wurde 1985 zur besten Sendezeit vom ZDF ausgestrahlt, hatte mehr als 11 Millionen Zuschauer und löste eine nachhaltige Debatte aus. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, u.a. auch ins Russische und Türkische.
Zu dieser Zeit hatten die Auflagen seiner Bücher längst die Millionengrenze überschritten. Zwischen den harten, realistischen Themen wendete er sich immer wieder fröhlichen, lustigen Kindergeschichten zu, die beim Lesen ein befreiendes Lachen auslösen. Einige Literaturkritiker vermuteten, dass es zwei Schriftsteller namens Klaus-Peter Wolf gäbe. In verschiedenen Besprechungen hieß es:
“Klaus-Peter Wolf hat einen neuen, hart recherchierten Roman vorgelegt. (Nicht zu verwechseln mit dem Kinder- und Jugendbuchautor Klaus-Peter Wolf).”
Aber er hat beide Autoren in seiner Brust und der eine ist wohl nötig, um den anderen psychisch am Leben zu erhalten. Schreiben scheint von jeher sein Lebenselixier gewesen zu sein. Er sagt von sich:
Mehr über die Moskauer Konferenz ist zu lesen in seinem Moskauer Tagebuch.
Wer mehr über die Beziehung zwischen Max von der Grün und Klaus-Peter Wolf erfahren will, klickt hier.
Klaus-Peter Wolf gehörte zum Erneuererflügel der DKP. Nach längeren Reisen durch die Sowjetunion (über die er auch geschrieben hat) trat er 1987 enttäuscht aus der Partei aus.
Artikel aus dem Spiegel-Magazin (11.9.1989) Stumme Frau gesucht
Ganz dünnes Eis aus dem Spiegel-Magazin 05.1992
Merkwürdigerweise wird er aber von Teilen der Literaturkritik völlig ignoriert. Klaus-Peter Wolf wird gelesen, hat riesige Auflagen, wird übersetzt und verfilmt, aber er ist nicht einzuordnen. Er ist kein Autor für die Feuilletons. Wenn er nicht schreibend und recherchierend unterwegs ist, so befindet er sich auf Lesereise, hin zu seinem Publikum. 180 bis 200 Lesungen im Jahr, an manchen Tagen gleich drei hintereinander (in Schulen). Der Autor schreibt am liebsten im Zug und in Hotelzimmern. Was dort entsteht, liest er seinen Zuhörern dann gleich vor und diskutiert es mit ihnen.
„Einen wirklich Besessenen kann nichts aufhalten.“
Dieser Satz steht in einem seiner Romane. Wer Wolf erlebt hat, ahnt, wie sehr der Satz auf ihn selber zutrifft. Er ist ein Erzähler aus Leidenschaft. Er hat mehr als viertausend öffentliche Veranstaltungen hinter sich (wobei nur selten die Stühle ausreichen) und ist verantwortlich für mehr als einhundert Stunden Fernsehen. Die Drehbücher für die Verfilmungen seiner Romane schreibt er fast immer selber, so für Samstags, wenn Krieg ist, Regie führte, wie auch bei Svens Geheimnis Roland Suso Richter, in den Hauptrollen Heino Ferch, Markus Knüfken und Angelica Domröse. Sein Roman Feuerball bildete die Grundlage für eine neue Reihe im „Polizeiruf 110“ fürs Bayrische Fernsehen. Die Psychologin Sylvia Jansen wurde gespielt von Gaby Dohm. Die Verfilmung konnte natürlich nicht Feuerball heißen, da es einen James-Bond-Film mit dem gleichen Titel gibt. Der Film lief unter dem Titel Polizeiruf 110 – Feuer! Regie Maria Knilli. Der zweite Polizeiruf in der Reihe, Im Netz der Spinne stammt auch aus Klaus-Peter Wolfs Feder, mit einer köstlichen Paraderolle für Armin Rohde.
Seine Jugendbuchserie Drei tolle Nullen („Die Kids-Kultbuchserie“, BUCHMARKT) ist im Franz-Schneider-Verlag erschienen. Es gibt 9 Bände über Oskar, Olaf und Olli. Es gründeten sich im gesamten deutschsprachigen Raum mehr als 200 „Drei-tolle-Nullen-Fanclubs“ mit eigenen Clubausweisen und vom Autor persönlich unterschriebenen Urkunden. So verpflichten sich die Mitglieder der Drei-tolle-Nullen-Clubs: „Zu lachen, wenn wir fröhlich sind, zu weinen, wenn wir traurig sind, zu essen, wenn wir Hunger haben, zusammenzuhalten und uns nicht unterkriegen zu lassen und den Erwachsenen Streiche zu spielen, so oft es nur geht“.
Kein Wunder, dass die Serie vom Fernsehen entdeckt wurde. Die Drei tollen Nullen sind eine deutsch-polnische Coproduktion, die Günter Herbertz von der Firma TV 2000 realisierte. Inzwischen gehören die „Drei tollen Nullen“ zum Standardprogramm von Kinderkanal und ARD und haben, obwohl sie bisher schon neun Mal wiederholt wurden, steigende Einschaltquoten.
Für seinen Roman Das magische Holz erhielt der Autor die Kalbacher Klapperschlange. Dies ist der einzige Literaturpreis, der von einer reinen Kinderjury verliehen wird. Vor Klaus-Peter Wolf erhielten ihn so namhafte Autoren wie Elke Heidenreich, Klaus Kordon, Paul Maar und Arnulf Zitelmann.
Und wieder legte Klaus-Peter Wolf mit Donnas Baby (1996, Scherz-Verlag) eine große Liebesgeschichte vor. Jens und Donna sind typische „Klaus-Peter Wolf Gestalten“. Donna wächst behütet im Elternhaus auf und wird dann ungewollt schwanger. Ihr Freund Jens träumt davon, als Saxophonspieler sein Geld zu verdienen, hat keinen ordentlichen Schulabschluss und natürlich auch keine Berufsausbildung. Er knackt Autos und das nicht mal besonders gut. Trotzdem erweisen die beiden sich als stabiles Paar. Die gebrochenen Helden, die erst unter größtem Druck ihre persönliche Stärke entwickeln und die gefallenen Engel – sie haben Klaus-Peter Wolf immer angezogen. Bei der Buchpremiere formulierte es ein junges Mädchen auf den Punkt:
Es ist ein ungewöhnlicher Roman, der die Gemüter sehr bewegt hat, denn ständig wird der Leser vor Entscheidungen gestellt. Und wieder gelingt Wolf damit ein Sittengemälde unserer Zeit und unserer Seelenzustände. Das Buch fand lange nicht so viele Leser wie die anderen Wolf-Romane. Donnas Baby wurde zwar Buchtipp des Monats im STERN, aber die Radikalität, mit der hier zwei junge Menschen auf ihrem Lebensglück beharren und sich für ihr Kind entscheiden, obwohl doch alle dagegen sind, stieß bei der Kritik auf Ablehnung.
Lange bevor Donnas Baby erschien, hatte Klaus-Peter Wolf bereits die Recherchen zu seinem Roman Karma-Attacke begonnen. Karma-Attacke erzählt die Geschichte von der 15-jährigen Vivien, die in Köln in der Psychiatrie lebt. Professor Ullrich, der sie als Therapeut behandelt, glaubt an Wiedergeburt. Was andere Ärzte Wahnvorstellungen nennen und mit Medikamenten behandeln, sind für ihn Erinnerungen,von denen Vivien geflutet wird. Er hofft, durch Vivien seiner eigenen Identität auf die Spur zu kommen und er weiß: Wenn er mit ihr beweisen kann, dass es Reinkarnation gibt, wird man seinen Namen mit Freud und Einstein in einem Atemzug nennen. So ist Vivien einerseits glücklich, den Professor zu haben, denn für ihn ist sie nicht einfach eine Irre, er behandelt sie, als sei sie die Königin der Geschlossenen Abteilung, andererseits kapiert das junge Mädchen natürlich sehr bald, dass er sie nie, niemals freilassen wird. Denn sie ist der Schlüssel zu seiner eigenen Geschichte.
Auffällig auch hier wieder, wie in anderen Wolf-Romanen, der jugendliche Held in einer scheinbar ausweglosen Situation. Vielleicht liegt hier das große Missverständnis, das sich um Klaus-Peter Wolfs Romane rankt: Sie werden für Jugendbücher gehalten, weil junge Menschen mit ihren Konflikten im Mittelpunkt stehen. Liest man dann so einen Roman als Jugendbuch, ist der gebildete Kritiker natürlich entsetzt über die „schlimmen Szenen“, die sich darin finden. Sämtliche Tabus, die es im Jugendbuch gibt, werden hier gebrochen. Aber genau das ist auch der Irrtum. Klaus-Peter Wolfs Romane sind keine Jugendbücher. Karma-Attacke ist ein Psychothriller. Gruselig wie „Das Schweigen der Lämmer“, aber mit viel mehr Tiefgang, denn wie immer nimmt er auch hier seine Leser mit in die Abgründe der menschlichen Seele.
Dass es sich bei diesen Romanen nicht um Jugendbücher handelt, sieht man allein schon an den Übersetzungen. Nirgendwo im Ausland erscheinen diese Bücher als Jugendbücher, sondern als Neue Deutsche Literatur, Thriller, Krimi oder eben einfach nur als Romane. Es ist ein typisch deutsches Missverständnis, das sich da um einen Autor rankt. Die Unsicherheit der Literaturkritik, wie man diesen Schriftsteller einordnen kann, trug sicherlich dazu bei, dass Karma-Attacke zwar in esoterischen Zeitschriften groß besprochen wurde, aber die große Literaturkritik wieder mal mit starrem Blick wegsah
Karma–Attacke aus Mensch & Sein 01.2002
Einblicke in die Tiefen der Seele aus Esotera 09.2001
Dann erschien das Buch auch noch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, am 17. September 2001. Nach den schrecklichen Ereignissen am 11. September dominierten andere Themen das Weltgeschehen. Dichter, die nicht über den Islam oder Terrorismus geschrieben hatten, kamen öffentlich kaum noch vor. Trotzdem fand dass Buch durch eine Welle von Flüsterpropaganda seine Leser. Kein Wunder, für viele ist Karma-Attacke der beste Roman, den Klaus-Peter Wolf je geschrieben hat. Der für seine gründlichen Recherchen bekannte Wolf ließ sich für Karma-Attacke sogar zum Reinkarnationstherapeuten ausbilden. Der Roman wurde für ihn zu einer Abenteuerreise zu sich selbst und hat den Autor verändert.
In Deutschland fand man diese Geschichten zunächst zu unpädagogisch, was in dem Ausspruch gipfelte:
Lesen Sie mehr über das Aufeinandertreffen mit Norman Mailer und Graham Greene.