Die Geschichtenerzählerbande

Er gründete die Geschichtenerzählerbande. Alle Mitglieder der Bande kamen als handelnde Personen in seinen Geschichten vor. Stundenlang ging er mit seiner ständig wechselnden Bande spazieren und erzählte auf Zuruf neue Geschichten. Vom Weltraumabenteuer bis zum Indianerüberfall, vom realistischen Familienalltag bis zum Fantasymärchen mischte er alles nach seinen eigenen Bedürfnissen und denen seiner Zuhörer.

„Abenteuerspielplätze gab es noch nicht. Die Wohnungen waren klein, die Straßen gefährlich. In der Geschichtenerzählerbande konnten wir Abenteuer auf kleinstem Raum erleben. Wir gingen einfach nebeneinander her, stundenlang auf einem Garagenhof im Kreis oder auch auf dem Schulhof.“

„Natürlich fiel den Erwachsenen auf, dass da etwas Besonderes geschah, dass Kinder dort die ganze Zeit intensiv miteinander redeten, gestikulierten und keinerlei Spielzeug brauchten. Das kam einigen verdächtig vor. Meiner damaligen Klassenlehrerin war das Ganze nicht geheuer. Als ich die ersten schlechten Noten schrieb, bat sie meine Mutter zur Schule. Ich sei ein Träumer, ein Spinner, ein Lügner. Dieses Herumspinnen, Geschichtenerfinden, sollte mir auf jeden Fall untersagt werden, auch zu Hause. So sollten sich meine Schulleistungen endlich verbessern.“

„Von da an tagte die Bande im Geheimen. Ich war acht, höchstens neun, und erlebte bereits, was es heißt, wenn ein Talent unterdrückt wird. Je stärker die Verbote wurden, um so mehr spürte ich, dass ich von Bildern und Geschichten geradezu geflutet wurde. Ich brauchte ein Ventil. Die Geschichtenerzählerbande wurde immer wichtiger.“

„Ich will meinen Lehrern hier nicht Unrecht tun. Auf ihre Weise hatten sie schon recht. Ich folgte ihrem Unterricht nur bruchstückhaft. Immer wieder gingen meine Gedanken sehr weit weg. Auch wenn ich mir Mühe gab, meiner Lehrerin an den Lippen zu hängen. Jeder Satz von ihr löste eine Assoziationskette in mir aus. Ein zarter Hinweis auf das Meer reichte aus, und ich erlebte Abenteuer auf einem Piratenschiff.“

Wen wundert es, dass seine Lehrer zu der Überzeugung kamen, er sei für das Gymnasium gänzlich ungeeignet und könne es nicht schaffen. Er sollte auf der Volksschule bleiben. Das wollte er aber nicht, denn dort verbot man ihm, Geschichten zu erzählen. Er hatte die diffuse Vorstellung, auf dem Gymnasium sei es leichter für ihn, weil es dort erlaubt sei, „seinen Gedanken nachzuhängen“.

Er machte auf eigenen Wunsch eine Sonderprüfung und bestand.

Lesen Sie hier mehr über die ersten Erfolge.