Interview mit Klaus-Peter Wolf zu seinem Roman Karma-Attacke
Interviewer: Herr Wolf, Sie sind bekannt als Autor, der seine Romane hart in der Wirklichkeit recherchiert. Für ein Buch wie Traumfrau gründeten Sie eine Firma für Mädchen- und Frauenhandel, ließen sich sogar beim Finanzamt dafür eine Steuernummer geben und arbeiteten zwei Jahre in diesem Gewerbe, um den Roman schreiben zu können. Später hat das Buch sogar die Parlamente beschäftigt. Wie kommt es, dass gerade Sie sich der Frage zuwenden, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, und ob es gar Möglichkeiten gibt, sich daran zu erinnern?
Klaus-Peter Wolf: Als ich ein kleiner Junge war, noch nicht in der Schule, hatte ich große Angst vor meiner Oma. Sie kleidete sich in Schwarz. Mit einem steifen, weißen Kragen. Und sie hatte in meiner Erinnerung silberne, ja fast weiße Haare. Ihre Stimme war streng. Die meisten Menschen, die ich kannte, hatten Angst vor ihr. Ich hatte das Wort Engelmacherin gehört, wusste nicht, was damit gemeint war, brachte es aber mit ihr in Verbindung.
Eines Tages machte ich sie irgendwie wütend. Sie zerrte mich zur Toilette und schloss mich dort mit den Worten ein, ich könne dort bleiben, bis ich schwarz würde. Sie schloss ab – und ich hatte panische Angst.
Ich kletterte auf einen Eimer, den ich auf den Deckel der Toilette gestellt hatte und versuchte, hoch oben zu einem Fenster zu kommen, das aber unerreichbar über mir lag. Noch heute läuft mir ein Schauer den Rücken herunter, wenn ich davon erzähle. Ich glaube, ich war damals zum ersten Mal in Todesangst.
Später habe ich diese Szene oft geträumt. Ich sah alles ganz genau. Die Tür, den Griff, den Eimer, das Fenster – auch mich. Aber etwas stimmte nicht: Ich sah alles aus der falschen Perspektive. Ich sah es nicht mit meinen Augen, sondern von oben. Als wären meine Augen über mir an der Decke gewesen und hätten von dort diesen kleinen Jungen in seiner Angst beobachtet.
Ich hatte natürlich, gerade als Kind, keine Erklärung dafür und behielt es einfach für mich. Ich hatte Angst, wenn ich davon erzählte, würde ich für verrückt erklärt.
Interviewer: Gab es mehrere solcher Ereignisse in Ihrem Leben?
Klaus-Peter Wolf: Ein paar Jahre später hatte ich einen Autounfall. Ich flog, vom Wagen angefahren, im hohen Bogen durch die Luft, mit dem Kopf zuerst nach unten. Der Schulranzen rutschte von meiner Schulter, so dass ich nicht auf das Kopfsteinpflaster aufschlug, sondern der Lederranzen meinen Fall dämpfte. Ein Krankenwagen kam, plötzlich war auch meine Mutter da. Ich wurde ins Krankenhaus gefahren. Dort retteten Notärzte mein Leben.
Und wieder erinnere ich die Szene aus einer scheinbar unmöglichen Perspektive: Ich sehe den Unfall von oben. Ich sehe mich durch die Luft fliegen, sehe, was mit dem Schulranzen passiert, wie ich in den Krankenwagen verladen werde, wie meine Mutter dazusteigt – sogar die Operation.
Später stellte sich mir immer öfter die Frage, ob es möglich ist, dass die Seele im Augenblick größter Angst, ja, in Todesnot, aus dem Körper austritt und alles von oben betrachtet. Dieser Gedanke schien mir verrückt. Ich hatte ein sehr materialistisches Weltbild, doch meine Erfahrungen waren halt andere. Es widersprach jeder Vernunft und allem angelernten Wissen, aber dennoch gehörte es zum Fundus meiner Erlebnisse.
Dann kam das Jahr 1993. Dies war ein sehr einschneidendes Jahr für mich. Ich musste mich einer Herzoperation unterziehen. Wieder geschah dasselbe. Ich wurde in der Intensivstation wach, sah mich aber von oben im Bett liegen. Das Verrückte war: Ich kriegte die Augen gar nicht auf. Dazu war ich zu schwach. Ich sah aber, was geschah, als würde ich über mir im Raum schweben.
Mein materialistisches Weltbild geriet immer mehr ins Wanken. Ich erlaubte mir endlich, die Erfahrungen als Kind ernst zu nehmen und sie mit Anderen zu diskutieren. Ich traf Menschen, die meine Erlebnisse überhaupt nicht merkwürdig fanden. Buddhisten erzählten mir davon, dass wir nach dem Tod wiedergeboren werden, zurück auf die Erde kommen und erneut in den Kreislauf eintreten. Der Gedanke, dass nur unser Körper stirbt, die Seele aber nach dem Tod den Körper verlässt und wiedergeboren wird, taucht ja in vielen Kulturen und Weltreligionen auf.
In der Tat stellte ich mir die Frage: Wenn die Seele austritt aus dem sterbenden Körper, wo bleibt sie dann? – Nein, um es gleich ganz klar zu sagen, ich gehöre keine Sekte an und nicht einmal einer Glaubensgemeinschaft. Ich wollte nur diesem merkwürdig tabuisierten Phänomen nachspüren. Es stellte sich mir die nächste Frage: Wenn wir schon einmal gelebt haben, vielleicht viele Male, und die Seele immer wieder neu geboren wurde, gibt es dann eine Möglichkeit, sich daran zu erinnern? Wird bei dem erneuten Eintritt ins Leben alles gelöscht?
Es gab eine Zeit, da erklärten wir alles mit der Chemie im Gehirn. Dann waren die Gene dafür verantwortlich, schließlich die Erziehung, die Umwelt, die Eltern. Das alles war mir immer zu monokausal. Konnte es nicht sein, dass die menschliche Seele beeinflusst wird durch Erlebnisse, die sie in früheren Leben gehabt hat? Dass also einige Probleme, die wir im Jetzt haben, auf Erfahrungen aus der Vergangenheit fußen, an die sich unser Verstand nicht mehr erinnert, die unsere Seele aber beeinflussen? Warum kriegen manche Menschen Platzangst an bestimmten Orten und andere nicht? Wieso wird die eine ess-brech-süchtig und die andere nicht? Wieso ist der eine ein Workaholic und der andere ein faules Schwein? Wieso fühlt sich der eine für allen Mist, der auf der Welt geschieht, verantwortlich und der andere nicht mal für den Mist, den er selbst anrichtet?anrichtet? Natürlich faszinierte mich als Autor von Romanen der Gedanke, dass wir im Hier und Jetzt möglicherweise etwas austragen, das viel früher begann, ganz außerordentlich. Die erzählerischen Möglichkeiten, die diese Annahme in sich birgt, sind ja gewaltig.
Ich fragte mich also, ob es Möglichkeiten gibt, sich an frühere Leben zu erinnern oder ob das alles vergessen ist. Ich suchte Einzelpersonen und Gruppen, die sich damit ernsthaft befassten. Natürlich traf ich einige Spinner, aber die gibt es unter praktizierenden Ärzten oder Psychologen auch.
Der Name Thorwald Dethlefsen fiel immer wieder.
Es stellte sich rasch heraus, dass es vier Methoden für Rückführungen gibt. Durch Hypnose, durch Drogen, durch Holotropes Atmen, durch Tiefenentspannung.
Experimente mit Drogen wollte ich auf keinen Fall machen, auch nicht mit Hypnose arbeiten. Es kam mir darauf an, bei dem, was geschieht, mit wachem Verstand dabei zu sein, mir nichts einreden zu lassen und keinen durch Chemie herbeigeführten Trugbildern aufzusitzen.
Die Methode durch Tiefenentspannung schien mir also die geeignete zu sein, denn dabei schaltet das Wachbewusstsein nicht ab. Der kritische Verstand ist die ganze Zeit dabei, ja, er macht sich teilweise sogar lustig über das, was geschieht.
Ich habe auch das Holotrope Atmen ausprobiert, aber das ist nicht ganz mein Ding.
Einige Gruppen und Institute boten sogar Ausbildungen an zum Reinkarnationstherapeuten, Rückführer usw. An der Akademie für Psyche und Soma konnte man sogar ein Diplom erwerben, natürlich kein staatlich anerkanntes. Darum ging es mir ja auch nicht. Ich suchte für mich eine Wahrheit. Eine Möglichkeit. Wollte etwas ausprobieren.
Interviewer: Sie haben also eine Ausbildung zum Reinkarnationstherapeuten gemacht?
Klaus-Peter Wolf: Ja. Bei Viktoria Stratenwerth. Das war sehr interessant für mich und eine echte Bereicherung.
Interviewer: Wie muss man sich so eine Gruppe vorstellen? Sind das Spinner? Ausgeflippte?
Klaus-Peter Wolf: Nein. Eher ganz normale Menschen. Eine Werbekauffrau, ein Bäcker, jemand, der zwölf Jahre als Berufssoldat hinter sich hatte, eine Erzieherin, eine Frau, die eine Gaststätte in Zürich betreibt – also doch recht normale Menschen. Natürlich Leute, die sich tiefe Fragen stellen, vielleicht aus ähnlichen Gründen kamen wie ich. Die Erklärungen reichten ihnen nicht aus. Sie suchten und experimentierten.
Interviewer: Sie haben sich selbst zurückführen lassen und auch Rückführungen geleitet?
Klaus-Peter Wolf: Natürlich. Wie sonst sollte ich herausfinden, ob etwas dran ist. Ich habe an mehr als 150 Rückführungen teilgenommen. Manchmal habe ich zurückgeführt, manchmal mich zurückführen lassen.
Interviewer: Und – sind die dann immer alle etwas Besonderes gewesen? Berühmte Persönlichkeiten?
Klaus-Peter Wolf: Nein, das ist überhaupt nicht so. Ich habe nie erlebt, dass jemand eine Persönlichkeit war, die ich aus dem Geschichtsbuch kannte oder aus dem Lexikon. Es waren immer kleine, oft sehr unbedeutende Leben. Manche sogar sehr mitleiderregend. Einige Menschen waren sehr erschrocken, weil sie sich als Täter erlebten, die Furchtbares in einem Leben getan haben. Dinge, mit denen sie sich jetzt natürlich überhaupt nicht mehr identifizieren können. Ein Mann, der jetzt mit einem Helferleinsyndrom herumläuft und seiner seelischen Verfassung gemäß in einen sozialen Beruf ging – was gar nicht gut für ihn war, weil er ständig am Rande der Selbstaufgabe arbeitete – erlebte sich bei der Rückführung als furchtbaren Menschen, der andere unterdrückte und nur auf sein eigenes Wohl bedacht war. Er stellte sich nach der Rückführung die Frage, ob er im jetzigen Leben vielleicht aus dem Gefühl heraus agiert, etwas wiedergutmachen zu müssen.
Interviewer: Wie war es bei Ihnen selber? Wie muss man sich das überhaupt vorstellen? Sieht man etwas, riecht man etwas, hört man etwas? Weiß man, wer man ist?
Klaus-Peter Wolf: Ich erinnere mich genau daran, wie ich während einer Rückführung meine Füße sah, wie sie über den Boden gingen. Also genau die Perspektive, wie man sich wirklich sieht. Wenn Sie beim Gehen nach unten schauen, sehen Sie halt nicht Ihren Kopf, sondern Ihre Beine von den Knien an abwärts. Ich hatte Schuhe an, die vorne spitz zuliefen. Später erst erfuhr ich, dass man diese Schuhe Schnabelschuhe nennt. Sie waren goldfarben, mit blauen und grünen Fäden durchzogen. Ich sah dann erstaunt meine Hände. Ich hatte spitze Fingernägel und einen sehr leichten, jugendlichen Gang. Ich sah die Ornamente auf dem Boden. Später dann sah ich in einem Spiegel mein Gesicht. Es war ein rundes, asiatisches Gesicht mit so einem langen Ziegenbart nur unten am Kinn. Ich wurde gefragt, wie ich heiße und ich antwortete: Hansi. Ich musste lachen, weil ich das mit dem Verstand ja alles sehr wach registrierte. Das heißt, über die Bilder, die die Seele mir zeigte, hat mein Verstand lachen müssen.
Ich unterhielt mich während der Rückführung mit den Freunden, die dabei waren, darüber. »Niemand, der so aussieht, heißt Hans«, lachte ich. »Auch nicht Otto oder Paul. Hier stimmt etwas überhaupt nicht!«
Ich wurde nach der Zeit gefragt und ich konnte sehr genau das Jahr bestimmen.
Dann kamen sehr schnelle Szenen, die mir überhaupt nicht gefielen. Es waren plötzlich englische Soldaten da. Es gab Schießereien. Ich musste fliehen und meine sicheren Räume verlassen. Ich war ein wohlhabender, gebildeter Mann.
Die Rückführung ging etwas über eine Stunde. Während der Zeit war ich ständig auf der Flucht vor den Engländern.
Als ich wieder ganz im Wachzustand zurück war, zweifelte mein Verstand das alles an. Ein Freund, der dabei war, suchte dann am Computer im Internet Antworten auf einige Fragen, die er mitgeschrieben hatte. Das erste, was mich verblüffte, war: Dort, wo ich angeblich gelebt hatte, in Südchina, war Han Si ein durchaus geläufiger Name.
Mein Freund fand dann heraus, dass auch meine Zeitangabe richtig war. Es gab damals tatsächlich dort kriegerische Unruhen, allerdings hatte ich mich um ein Jahr vertan, und es waren nicht die Engländer, sondern die Franzosen.
Ich schüttelte den Kopf. Ich war mir völlig sicher, es waren Engländer. Ich hatte die englischen Worte im Kopf und – was mich völlig beeindruckte – ich hatte jetzt, nach der Rückführung, während wir dort saßen und einen Kaffee tranken, immer noch einen mörderischen Hass in mir auf Engländer. Es reichte schon, dass jemand ein englisches Wort benutzte, und ich wäre ihm am liebsten an die Gurgel gegangen. Solche Gefühle sind mir sonst im Leben völlig fremd.
Glücklicherweise konnte ich dies formulieren.
Dann lachte mein Freund am Computer auf und sagte: »Klaus-Peter, schau dir das an! Ein Jahr später kamen die Engländer.«
Dann wurde von dem Aufstand berichtet.
Dies hat uns alle wirklich sehr beeindruckt, zumal ich sagen muss, dass ich überhaupt kein Chinakenner bin, mich auch nicht für das Land und die Leute sonderlich interessiert habe.
Interviewer: Man kann also dabei zu richtigen, historisch überprüfbaren Ergebnissen kommen?
Klaus-Peter Wolf: Ja, das kann man, wobei ich darin aber nicht den Sinn der Rückführungen sehe. Ich erinnere mich an eine Rückführung mit einem Freund, bei dem er im Berlin der zwanziger Jahre ankam und sehr genau wusste, wo eine Bahn gehalten hat, wie die Straße hieß, die Häuser sah, wusste, wer da wohnte – und das alles lässt sich hinterher natürlich genau überprüfen, und man kommt zu erstaunlichen Ergebnissen.
In diese Richtung ging meine Arbeit aber nicht weiter. Solche Beweise kann man natürlich immer anzweifeln und sagen: »Na klar, das ist alles nur Show, das wussten die schon vorher, oder das Unterbewusstsein erinnert sich da an Bücher oder Filme, die sie früher mal gesehen oder gelesen haben.«
Viel beeindruckender fand ich, dass sich für viele Menschen Probleme, die sie im Jetzt haben, auflösten. Die Leben ergeben einen roten Faden. Nicht so, wie in einigen Religionen gelehrt wird: Man macht etwas Böses und wird im nächsten Leben dafür bestraft. Nein, so gar nicht. Sondern es hat zu tun mit einer seelischen Verfassung. Einer Gemütslage, wenn Sie so wollen. Einer Charakterprägung.
Interviewer: Können Sie das genauer erklären?
Klaus-Peter Wolf: Jemand, der in einem Gefängnis verhungert ist und diesen Hungertod während der Rückführung miterlebt, kriegt plötzlich ein anderes Verständnis für das Körpergefühl, das er im Jetzt hat. Ich habe so eine Rückführung mit einem esssüchtigen Mann gemacht. Ich glaube, er war dabei, sich totzufressen. Ein gebildeter, intelligenter Mann. Er wusste natürlich genau, was geschah. Er aß auch nicht aus Lust, sondern mit dem Gefühl von Angst.
Die Rückführung hat ihm erklärt, was mit ihm geschieht. Wenn jetzt diese Angst kommt, weiß er, dass sie zweihundert Jahre alt ist und dass er im Jetzt nicht verhungern wird. Vielleicht hilft es ihm, das nächste Steak stehen zu lassen.
Interviewer: Das hilft wirklich?
Klaus-Peter Wolf: Ich sage nicht, Rückführungen helfen jedem und allen in allen Lebenslagen, ich sage, ich habe einige Male erlebt, dass so etwas wirklich geholfen hat, weil andere Therapien zu kurz griffen. Denn, welche Therapieform Sie auch wählen, sie erreichen doch alle nur die Zeit bis zur Geburt. Hat die Traumatisierung früher stattgefunden, greifen diese Therapien zu kurz.
Interviewer: Muss man an Rückführungen und frühere Leben glaube, damit solche Therapien Erfolg haben?
Klaus-Peter Wolf: Nein, man muss ja auch nicht an Aspirin glauben, damit es wirkt. Für mich ist auch nicht bewiesen, dass es frühere Leben gibt. Es kann genauso gut sein, dass im Zustand der Rückführung, dieser tiefen Entspannung die Seele dem Menschen Bilder zeigt, die ihm seine Situation erklären. Ihm die Möglichkeit geben, einen roten Faden in seinem Leben zu finden. Es geschieht während der Rückführung etwas Heilendes. Ob das nun aus einem früheren Leben ist oder nicht, spielt ja kaum eine Rolle. Das ist eher eine Glaubensfrage.
Ich habe z.B. eine junge Frau zurückgeführt, die in ihrem jetzigen Leben sehr aktiv ist. Sie macht Kampfsport, Judo, Karate, ist ein eher harter Typ. Aber sie hat ein Problem: Sie kann nicht Zugfahren. Schon wenn sie in die Nähe eines Bahnhofs kommt, steigt Panik in ihr auf. Sie schämt sich deswegen, denn sie möchte doch so gern die coole, toughe Frau sein, und es passt überhaupt nicht dazu, nicht Zugfahren zu können. Sie erlebt im Zug aber eine Art körperlichen Zusammenbruch, als gehe es um Leben und Tod.
Bei der Rückführung landete sie augenblicklich in einem vollgestopften Einsenbahnwaggon. Es war ein Judentransport. Sie wussten nicht, wohin sie gebracht wurden, nur, dass ihnen etwas Schreckliches geschehen würde.
Wundert es Sie, dass diese Frau im jetzigen Leben Panikattacken kriegt, wenn sie in einen Zug steigen soll? Vielleicht ist das alles wirklich geschehen, vielleicht zeigt die Seele ihr auch nur, was sie innerlich erlebt, wenn sie in einen Zug steigt.
Interviewer: Hat die Rückführung der Frau genutzt?
Klaus-Peter Wolf: Sie fährt jetzt wieder Zug. Sie kann es. Besonders gut geht es ihr dabei aber immer noch nicht. Alte Erinnerungen brechen auf.
Interviewer: Der Titel Ihres Romans ist Karma-Attacke. Was bedeutet das eigentlich genau?
Klaus-Peter Wolf: Manchmal erleben Menschen eine Karma-Attacke, wenn etwas Altes, Unbearbeitetes, in ihnen aufsteigt und nach ihrer Seele greift. Für die junge Frau, von der wir gerade sprachen, geschieht innerlich so ein Angriff, wenn sie einen Bahnhof betritt. Wenn also frühere Erlebnisse in unser jetziges Leben hineinwirken, ja, plötzlich dominant werden, dann kann man von einer Karma-Attacke sprechen. Fast jeder Mensch kennt diesen Zustand, meist ohne das Wort zu kennen. Er nimmt sich dann ein paar Tage Urlaub, Tabletten, kriegt irgendwie die Krise. Manch einer säuft sich bloß einen, andere lassen sich scheiden, toben herum, flippen aus. Ich glaube, die Arztpraxen sind voll von Menschen, die eine Karma-Attacke erleben. Meistens kriegen sie Beruhigungstabletten.
Interviewer: In dem Roman treffen Menschen aufeinander, die noch eine Rechnung offen haben. Sie fechten im Jetzt aus, was früher begann …
Klaus-Peter Wolf: Ja. Und das ist für mich ein wunderbar aufregender Stoff. Das Leben findet auf zwei Wirklichkeitsebenen statt. Im Grunde ist dies übrigens kein Bruch mit meinen früheren Büchern, sondern nur eine Fortsetzung. Ich habe mich immer, auch in dem von Ihnen erwähnten Roman Traumfrau, mit der menschlichen Seele und den Abgründen der menschlichen Seele, beschäftigt. Das tue ich auch in Karma-Attacke. Nur diesmal geht es noch eine Etage tiefer. Ich nutze all diese Erfahrungen und Möglichkeiten, um einen Psychothriller zu erzählen. Etwas anderes habe ich nie getan. Ich habe immer meine Stoffe genau recherchiert und dann daraus einen spannenden Roman gemacht.
Interviewer: Werden Sie jetzt Rückführungstherapeut werden?
Klaus-Peter Wolf: Nein, das habe ich nicht vor. Ich werde weiterhin Romane schreiben und Filme machen. Das ist mein eigentliches Handwerk. Ich versuche nur, sie so genau wie möglich zu recherchieren.
Interviewer: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.